Stage Plot: Skizze des Bühnenaufbaus für ein Jazzkonzert

So etwas Hübsches trudelt einem in die Mailbox, wenn man beim hr Konzerte fürs Deutsche Jazzfestival organisiert. Was das ist? Ein "Stage Plot". Wir erklären, was alles in solch einer Bühnen-Skizze drinstreckt. Und warum neben Tuba, Drums und Saxophon auch ein Bier, eine Liebelei und das verruchte St. Pauli darin vorkommen.

Wow, das ist ein echt tolles … hm, Wimmelbild? Gezeichnetes Instrumentenrätsel? Ja, was eigentlich? So etwas ploppt in der Mailbox auf, wenn man beim Hessischen Rundfunk Konzerte für das 49. Deutsche Jazzfestival in Frankfurt organisiert. In diesem Fall das fulminante Ereignis "Allgäu meets India" mit der hr-Bigband, indischen Musikern und dem Allgäuer Wahnsinns-Virtuosen und Multitalent Matthias Schriefl am Donnerstag, 25. Oktober, im hr-Sendesaal. Und dieser Schriefl kann, siehe oben, nicht nur trompeten und Alphorn blasen, sondern auch noch zeichnen. Was das Ganze soll? Das – hier erfüllen wir gern den öffentlich-rechtlichen Bildungsauftrag – ist ein sogenannter "Stage Plot": eine grafische Darstellung der Aufstellung einer Band und all ihrer Instrumente auf der Bühne, plus der benötigten Verstärker, Monitorboxen für die Tonabnahme, Mikrofone, Kabelstränge, Notenständer, Stühle, Podeste, Beleuchtungen, Steckdosen und und und. Eine Art Schlachtplan für Veranstaltungstechniker und Orchesterwarte. Muss das Schlagzeug aufs Podest? Wo passt die dicke Tuba hin? Wer braucht welche Stromanschlüsse? Haben die Saxophonisten genug Armfreiheit? Nicht dass ihre Ellenbogen beim Auftritt miteinander rangeln oder das Alphorn die Sängerin unsanft von der Bühne kegelt. Bloß nicht!

Der Jazztrompeter und Multiinstrumentalist Matthias Schriefl

Wenn also der Stage Plot in einer hr-Mailbox auftaucht, schlägt seine Stunde: Jörg Hammer, Orchesterwart der hr-Bigband und Mann für den Durchblick "on stage". "Bei 'Allgäu meets India' haben wir 23 Musiker auf der Bühne, eigentlich gar nicht so viele. Doch es sind allein 60 Mikrofone im Einsatz, 30 Notenständer, alle mit Beleuchtung darauf. Bis die alle strommäßig versorgt sind, das dauert", sagt der Mann mit 27 Jahren Berufserfahrung. Beim Auftritt im hr-Sendesaal muss das ganze Zeug – Technik, Instrumente aller Größen, Aufbauten und Gestühl - hinterher in 20 Minuten, zack zack, runter von der Bühne und dann fix umbauen für das direkt nachfolgende Konzert. Da kommt selbst Hammer mit seinen zwei Helfern ins Schwitzen.

Seine intensive Beziehung mit dem Stage Plot beginnt jedoch schon Wochen vor dem Auftritt der internationalen Stars. Für 'Allgäu meets India' muss er beispielsweise ein "RHODES" (im Bild oben links), ein spezielles elektronisches Piano, organisieren. Das soll zudem so platziert werden, dass hr-Bigband-Multiinstrumentalist "DAS SEB" – Sebastian Merk (oben links) auch mit nur einer Körperdrehung Synthesizer,  Percussion-Schlagzeug und die kubanischen Metall-Pauken spielen kann. Die heißen übrigens "Timbales" (In den Pauken "TI-MB-AL-ES" entziffert?). Das alles liest Hammer aus dem Stage Plot. Auch diese Sache: Während E-Gitarrist "MARTIN" (Martin Scales von der hr-Bigband) seine Akkorde spielt, träumt nebendran eine der vier Trompeten ("4 TRP’S") schon heimlich vom Bierchen danach (Gesehen? Oben rechts). Und zwei Trompeten ergeben sich einer innigen Liebelei – rein musikalisch, nehmen wir an (Das Herzchen entdeckt, oben rechts?). Ach, wie schön! Findet auch Jörg Hammer. "Normalerweise kriege ich schlichte Pläne mit irgendwelchen Standard-Instrumentensymbolen aus dem Computer. Dieser Stage Plot ist schon außergewöhnlich, so außergewöhnlich wie der Schriefl selbst", sagt Jörg Hammer und beschließt: "Dieses Ding hänge ich mir hinter meinem Schreibtisch an die Wand."

Wer jetzt genug über einen Stage Plot weiß, kann hier aufhören zu lesen. Für alle anderen gibt’s als Zugabe gemäß dem ebenfalls öffentlich-rechtlichen Auftrag zur Unterhaltung weitere Rätsel-Hinweise zum bühnenreifen Wimmelbild. Schließlich haben wir ganz scharf "ST. PAULI" darin entdeckt (oben Mitte). Nanu? Auf der Vergnügungsmeile mittig hinten auf der Bühne wirbelt Jean Paul (Pauli) Hochstädter von der hr-Bigband am Schlagzeug. "VINOD", "SUNAAD" und "AMITH" sind weithergereiste indische Musiker (mit Nachnamen: Shyam, Anoor, Nadig), die ihre hierzulande völlig unbekannten Instrumente selbst mitbringen – da atmet Jörg Hammer auf. Wie die Instrumente heißen? Steht im Stage Plot unten links: "tabla" und "mrudangam". Ihre weiteren Instrumente mit so verwirrenden Namen wie Konnakkol und Khanjira hat selbst der Schriefl im Stage Plot weggelassen. Die "4 BONES" sind keine harten Knochen, sondern die vier Posaunen der hr-Bigband ("Bone" als Abkürzung von „trombone, englisch für "Posaune"). Daneben sitzt "LARS" (Lars Andreas Haug) an der dicken Tuba. Hinter "DAS ALEX" verbirgt sich Bassist Alex Morsey. Und "U87" und "U89" sind keine Umleitungen oder U-Boote, sondern Angaben zu Tonübertragungskanälen. Ganz schön viel drin in so einem Stage Plot! Etwas vermissen wir dennoch: Sängerin "SARAH" aus der Schweiz ("voc" = Gesang), Nachname Buechi, die hätten wir auch gern skizziert gesehen. Das Alphorn ebenso, klar! Und natürlich wären wir ganz neugierig auf das stageplottige Selbstporträt des Allround-Künstlers Schriefl himself.

Weitere Informationen

"Allgäu meets India" live und im Radio erleben

Jazzmusiker und Stage-Plot-Zeichner Matthias Schriefl dürfte der einzige Künstler sein, dessen Website man sich auch auf Allgäuerisch anzeigen lassen kann. Dort liest man, dass ihn "dia Alpemusig vo dohoi rum inschpiriert" habe. Wie kaum ein anderer versteht es der preisgekrönte Schriefl, Alpenfolklore, Jazz, Punk und neue Kammermusik zusammenzubringen - und obendrauf eine krachledernen Prise Slapstick. Für das 49. Deutsche Jazzfestival Frankfurt hat der Allgäuer ein Programm speziell für die hr-Bigband und illustre Gäste, sogar aus Indien, geschrieben. Heimatsounds fürs Global Village, selbst "gjodlet wird o no do, off indisch".

Alle Musiker leibhaftig, live und in Farbe gibt’s beim 49. Deutschen Jazzfestival, „The Big Amithias - Allgäu meets India“, hr-Bigband featuring Matthias Schriefl, Donnerstag, 25. Oktober, 19:00 Uhr, hr-Sendesaal, Frankfurt, Tickets zu 39,50 Euro unter hr-ticketcenter.de, Telefon 069/ 155-2000.

Live-Übertragung in hr2-kultur.

Infos zum Deutschen Jazzfestival gibt es hier.

Vorab in hr2-kultur: "What’s going on? – Features, Interviews und was die Szene bewegt; 'Allgäu’n India' als blasmusikalische Leitkultur: Matthias Schriefl", Mittwoch, 24. Oktober, 22:30 Uhr

Ende der weiteren Informationen