hr-bsg Skisparte bei der Ski-Euro Eurovision Winter Games im wirklich hohen Norden
78° Nord, auf diesem Breitengrad liegt Longyearbyen, der Hauptort von Svalbard, in Deutschland besser bekannt unter dem Namen Spitzbergen. Nur noch 12 Breitengrade fehlen bis zum Nordpol, das sind umgerechnet gerade Mal 1300km. Dahin ging es Ende März zu den 51. Eurovision Winter Games. Eingeladen hatte Schweden, was dem Umstand zu verdanken war, dass ein Mitglied des schwedischen Teams Norweger ist und seit einigen Jahren seinen Ruhestand im von Norwegen verwalteten Svalbard verbringt.
Ja, außerhalb der organisierten Wettbewerbe sind die Möglichkeiten Ski zu fahren eher dürftig. Und ja, Anreise und Aufenthalt waren ein wenig kostspieliger als sonst.
Trotzdem haben sich vier hr-Kolleginnen diese besondere Euro am nördlichen Ende der bewohnten Welt nicht entgehen lassen.
Sabine und Daniela haben die exponierte Lage Svalbards schon bei der Anreise zu spüren bekommen. Zusammen mit zehn Leidensgenoss*innen blieben sie in Oslo stecken, weil der Nachmittagsflug wegen Sturmwarnung gestrichen wurde. Vor Ort konnten wir anderen beobachten, wie alles sturmsicher verzurrt und verräumt wurde. Der kurze Heimweg nach der Eröffnungsfeier, die kurzfristig nach drinnen verlegt werden musste, war dann schon ein Kampf mit den Elementen. Manche Böen nagelten einen regelrecht am Fleck fest, und das heftige Schneetreiben in Eiseskälte unterstrich, dass hier die Natur das Sagen hat. Die ganze Nacht rüttelte und klapperte es kräftig am Haus.
Ausgerechnet die Langlaufwettbewerbe sollten am nächsten Tag stattfinden. Der Beginn wurde auf 12 Uhr verschoben. Bis dahin würde der Wind laut Prognose nur noch ein Lüftchen sein, und die Pistenraupe sollte in der Lage sein, bis dahin eine fahrbare Loipe herzustellen, die nicht sofort wieder verweht würde. Denn Windschutz gibt es keinen in Spitzbergen, keine Bäume und Büsche weit und breit.
Die Frauen hatten Glück und konnten ihre Runden tatsächlich bei wenig Wind absolvieren, den Rückweg jeweils mit dem sagenhaften Ausblick auf den Fjord und die in frischem Weiß strahlende Bergkette dahinter. Die Männer hatten schon wieder gegen ordentliche Böen zu kämpfen, und als der Staffelwettbewerb startete, war wieder alles zugezogen und einige verloren im Kampf gegen Wind und schlechte Sicht die Orientierung und landeten im frisch zusammengewehten Tiefschnee.
Die Windpause in der Mittagszeit nutzte auch der Flieger aus Oslo, und so schaffte Sabine es, wenigstens an der Staffel teilzunehmen. Ohne lange Akklimatisierungszeit direkt in die Loipe.
Für den Rest der Zeit präsentierte sich Longyearbyen dann jedoch von seiner besten Seite. Es gab viel Sonne, die Tage wurden spürbar länger und es war längst nicht so kalt, wie es im März durchaus sein kann. Statt -40° hatten wir höchstens -18° auszuhalten. Angenehm, aber leider auch eine Folge des in Spitzbergen besonders deutlich spürbaren Klimawandels.
Die langen Skitage waren trotzdem ganz schön schattig, Riesenslalom und Super G wurden an einem Tag ausgetragen, und das Team-Parallelslalom-Event am letzten Tag zog sich auch weit in den Nachmittag. Einzige Wärmequelle war eine Feuerschale neben dem Schlepplift, und man konnte auch am nächsten Tag noch deutlich riechen, wer sich dort besonders lange aufgehalten hatte. Daniela gehörte übrigens nicht dazu, die hatte heldinnenhaft den ganzen Tag als Linienrichterin beim Parallelslalom am Zielstrich ausgeharrt.
Deutschland 1 gewann am Ende diesen Wettbewerb sensationell, allerdings ohne hessische Beteiligung. Wir steuerten, wie fast schon gewohnt, Langlaufmedaillen zum Erfolg bei. Simone und Imke dank Zuordnung in unterschiedliche Altersklassen jeweils Silber im Einzel und gemeinsam Bronze in der Staffel.
Die Zusammenfassung der Wettkämpfe auf nur drei Tage hatte einerseits logistische Gründe, andererseits wurde aber auch bewusst so viel freie Zeit eingeplant, um Ausflüge auf diesem ganz besonderen Landstrich machen zu können. Auf Schneemobilen ging’s in teils rasanter Fahrt zum benachbarten Tempelfjord, was am Ende des Tages mehr als 100km durch eine komplett weiße Landschaft auf den Tacho brachte.
Viele erfüllten sich den Traum einer Hundeschlittenfahrt in der arktischen Wüste, von der alle mit glänzenden Augen zurückkamen. Und auch der Aufstieg mit Schneeschuhen und das Eintauchen in eine Eishöhle unter dem Longyear-Gletscher waren ein außergewöhnliches Erlebnis. All das wohl gemerkt, im Eisbärengebiet. D.h. die Guides waren immer mit Signalpistole und großkalibrigem Gewehr bewaffnet und hielten die Gruppen unablässig dazu an, zusammenzubleiben.
Polarlichter waren uns leider nicht vergönnt, jedenfalls keine bunten. Dafür war die Rückkehr der Helligkeit schon zu weit fortgeschritten. Aber die klaren Farben der Landschaft, die pudrige, fast gipsartige Konsistenz des Schnees, das Knirschen und Knarzen der Schritte darauf, das Blau des Himmels und des Wassers (das freilich vor 20 Jahren um diese Jahreszeit noch gefroren und von Schnee bedeckt war) und vor allem die Schattierungen der blauen Stunde werden uns lange im Gedächtnis bleiben. Und das Motto „Schuhe aus“. Nur in den Läden darf man sie nämlich anbehalten, überall sonst - ob Kirche, Restaurant, Verwaltung oder Siegerehrung - findet das Leben auf Socken statt. Bis zur Abschiedsparty hatten wir jedoch den Bogen raus, denn mitgebrachte Sneaker sind natürlich erlaubt. So geht das Tanzen dann doch deutlich besser.
Die nächste Euro wird dann sicher weniger spektakulär, dafür deutlich leichter erreichbar: zur nächsten lädt nämlich die Schweiz ein. Vom 21.-28. März 2026 in Melchsee-Frutt. Interessent*innen melden sich gerne bei imketurner (at) web.de