Manfred Krupp, Intendant des Hessischen Rundfunks

Lieber Herr Brandes, lieber Herr Clauss,
liebe Mitglieder der Gremien,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Gäste,

der Kern einer Hauptversammlung ist der Blick auf den Jahresabschluss und der Lagebericht des Intendanten. Sollte ich die Botschaft in einer Zeile zusammenfassen, dann lautet sie: Der Jahresabschluss für das Jahr 2016 ist erfreulich, die Lage weiterhin ernst.

Machen wir uns doch einmal klar, welche Themen und Entwicklungen das vergangene Jahr geprägt haben. 2016 markiert den vorläufigen Höhepunkt einer tiefen Verunsicherung von weiten Teilen der Gesellschaft bis hin in die Führungseliten. Die Stichworte dazu lauten auf internationaler Ebene Brexit, Trump und Putin sowie das Anwachsen des Populismus in Europa und in Deutschland. Übergreifende Wertemuster, die die Nachkriegszeit geprägt haben, schienen auf einmal erschüttert, Jahrzehnte bewährte Strukturen in Frage gestellt und auch das Vertrauen in die Medien zeigte deutliche Risse. Zum Wort des Jahres wurde „postfaktisch“ gekürt. Gemeint ist eine Emotionalisierung auf allen Ebenen, die den Blick auf die wirklichen Fakten verstellt. Dabei ist das Phänomen keineswegs neu. Ich bin inzwischen 61 Jahre alt und ehrlich gesagt, ich habe noch nie in einem faktischen Zeitalter gelebt. Gefühle und Emotionen haben schon immer eine entscheidende Rolle gespielt. Aber die Geschwindigkeit, mit der sich Meldungen, ob real oder leider immer öfter manipuliert, durch die sozialen Netzwerke verbreiten, hat sich unglaublich beschleunigt, und die Emotionalisierung hat sich dadurch potenziert. Wenn dann auch noch Computerprogramme, Algorithmen und Maschinen – Stichwort Social Bots - diese Spirale weiter antreiben, weiß man kaum noch, wem man trauen und vertrauen kann.

Das alles ist aber auch eine recht eindimensionale Betrachtungsweise, die Entwicklung ist nämlich voller Widersprüche. Und das muss auch einen Sender wie den Hessischen Rundfunk beschäftigen. Vergessen wir nicht, dass uns das Netz eine noch nie dagewesene Vielfalt von Informationen bietet, dass soziale Netzwerke neue Kommunikationsmöglichkeiten geschaffen haben und damit eine breite Form von Beteiligungen ermöglichen. Die sozialen Netzwerke sind nicht einfach nur - wie ein böses Wort sagt: „Die größte Kloake der Menschheitsgeschichte“, sondern auch eine weltweite Plattform für Meinungs- und Nachrichtenaustausch.

Wir hatten Mitte 2015 noch mit einem negativen Ergebnis von rund 82 Mio. Euro geplant. Dann kam eine Gesetzesänderung auf Bundesebene, wonach der Referenzzins für Pensionsrückstellungen nicht mehr nach einem 7-Jahres- sondern einem 10-Jahres-Zeitraum berechnet wird. Und allein dadurch wurde aus einem Minus von 82 Mio. Euro ein geplanter Überschuss von 2,8 Mio. Euro bei der Einbringung des Haushaltes. Und wenn wir uns jetzt Erträge und Aufwendungen anschauen, dann hat sich das Ergebnis noch einmal verbessert. Statt 2,8 Mio. Euro haben wir 2016 einen Überschuss von 29,5 Mio. Euro.

Das ist auch das Ergebnis unserer fortgesetzten Sparbemühungen. Hinzu kommen die Auflösung einer Rückstellung von rund 10 Mio. Euro und Mehrerträge der hr werbung. Das zeigt wie wichtig die Werbung für einen wirtschaftlich gesunden öffentlich-rechtlichen Rundfunk ist. Dieser positive Abschluss wird aber ein Einmalergebnis bleiben! Das Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz und der anhaltende Niedrigzins werden uns 2017 wieder deutlich in die roten Zahlen treiben. Das sind Dinge, die wir nicht beeinflussen können.

Das ist umso schmerzlicher, da wir eine wichtige Auflage der KEF umgesetzt haben. Diese hatte uns die vollständige Deckung künftiger Altersversorgungslasten bis Ende 2016 auferlegt. Allerdings auf der Grundlage eines heute fast schon unvorstellbaren Zinssatzes von 5,25 % und ohne die Wirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes. Hatten wir auf dieser Basis 2015 noch eine Deckungslücke von 13,3 Mio. Euro, liegen wir jetzt, im Jahr 2016, leicht über unserer Verpflichtung mit insgesamt mehr als 638 Mio. Euro im Deckungsstock für die Pensionsrückstellungen. Auch darauf muss man blicken, wenn man auf unsere Bilanzen schaut. Nicht wenige Unternehmen und vor allem der Staat könnten uns darum beneiden, weil sie keine ähnliche Vorsorge getroffen haben.

Und trotzdem elektrisiert kaum ein Thema die Politik so wie die Steigerungen bei unserer Altersversorgung. Da ist es erfreulich, dass auf Bundesebene die Tarifparteien Eckpunkte für eine künftige Begrenzung dieser Steigerung bei der Altersversorgung vereinbart haben. Der Hessische Rundfunk hat hier eigene Tarifverträge und das Ergebnis ist nicht eins zu eins übertragbar.

Aber wir brauchen dringend eine solche Lösung auch für den Hessischen Rundfunk, zumal wir in der ARD die relativ höchsten Versorgungsverpflichtungen haben. Ich sag es ganz deutliche: Hier geht es auch um Generationengerechtigkeit. Ich will nicht, dass die Aktivbeschäftigten deutlich schlechtere Perspektiven haben, weil wir bei einer Deckelung der Steigerung für die Altversorgten nicht weiter kommen. Ich hoffe, dass wir mit der Tarifgemeinschaft spätestens dann einen gemeinsamen Weg finden, wenn ein Tarifabschluss auf Bundesebene vorliegt. Alles andere wäre fatal für die Kolleginnen und Kollegen, die aktiv im hr und für unsere Zukunft als eigenständiger Sender.

Schauen wir noch einmal auf die finanzielle Situation: Wir haben mit dem Verwaltungsrat und dem Rundfunkrat vereinbart, dass die entscheidende Messgröße für unsere wirtschaftliche Gesundheit künftig nicht mehr das Eigenkapital sondern die Liquidität ist. Die Wirtschaftsprüfer haben uns bestätigt, dass wir bis 2020 von einer gesicherten Liquidität ausgehen können, doch der genaue Blick zeigt ein langsames Abschmelzen. Mit 155,7 Mio. Euro lagen wir 2016 deutlich im positiven Bereich. Davon war allerdings rund ein Drittel begründet durch Mehrbeiträge, die für die jetzt angebrochene Beitragsperiode auf einem Sperrkonto geparkt werden mussten. Bei der freien Liquidität erkennen wir einen spürbaren Rückgang. Wir haben uns gegenüber dem Verwaltungsrat verpflichtet, schon jetzt Maßnahmen einzuleiten, damit wir bis zur Mitte der nächsten Beitragsperiode, also bis 2022, immer noch über mindestens 50 Mio. Euro Liquidität verfügen, um die laufenden Ausgaben einschließlich der Gehälter sicher zahlen zu können. Dazu sind jetzt schon weitere Sparanstrengungen nötig, zumal die Beitragseinnahmen nicht mehr steigen, sondern wieder sinken.

Das waren jetzt sehr viele Zahlen und geballte Informationen und deshalb gebührt die entscheidende Bewertung den unabhängigen Wirtschaftsprüfern, die der Verwaltungsrat beauftragt hat: Im Prüfbericht heißt es, dass der Abschlussprüfer BDO für das Geschäftsjahr 2016 den uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erteilt hat.

Damit wird auch die Arbeit meines Vorgängers, Helmut Reitze gewürdigt, der Ende Februar 2016 ausgeschieden ist. Ich bin ihm ebenso zu Dank verpflichtet, wie den Gremienmitgliedern, auch jenen die heute nicht mehr dabei sind. Ich nenne an erster Stelle den verstorbenen langjährigen Vorsitzenden des Verwaltungsrats, Gert Lütgert, der viele Jahrzehnte seine Zeit und Energie für das Wohl der Gemeinschaft und des hr eingesetzt hat. Und ich bedanke mich bei den Mitgliedern des Verwaltungs- und Rundfunkrates, auch jenen, die mit dem Ende der Amtszeit 2016 ausgeschieden sind. Das ehrenamtliche Engagement von Ihnen in den Gremien mit ihrer wichtigen Kontrollfunktion ist gar nicht hoch genug zu schätzen. Das wird oft genug übersehen.

Da bleibt es ein gemeinsamer Auftrag, den hr auch künftig auf einer finanziell soliden Grundlage aufzustellen. Ich bin der Politik dankbar – auch der hessischen -, dass sie die von der KEF vorgeschlagene Absenkung des Rundfunkbeitrags auf 17,20 Euro nicht einfach umgesetzt hat, sondern sie bei 17,50 Euro belassen und uns zu einer Rücklage von 30 Cent verpflichtet hat. Somit ist der Rundfunkbeitrag seit 2009 nicht mehr gestiegen. Wir profitieren bis zum Jahr 2020 von einer Rücklage, die wir in der letzten Beitragsperiode gebildet haben. Ohne sie wäre der Rundfunkbeitrag schon jetzt nach den Kriterien der KEF auf 18,40 Euro gestiegen. Das macht überdeutlich, wie fatal ein Einfrieren auf dem jetzigen Niveau für alle Zeiten für unsere Zukunftsperspektiven wäre. Absolute Beitragsstabilität, wie manche Länder fordern, heißt, Abbau des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und ist ohne drastische Programmkürzungen nicht umsetzbar.

Dabei sind die Herausforderungen nicht geringer geworden, wie ich schon am Anfang deutlich gemacht habe. Die Idee des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nach den Schrecken des Nationalsozialismus war eine Förderung der Demokratie durch Herstellung einer umfassenden Öffentlichkeit, unabhängig von wirtschaftlichen und politischen Interessen.

Wir haben neben unserem Informations- auch einen zentralen Integrationsauftrag, getragen von der Idee der Solidarität und des Respekts vor unterschiedlichen Meinungen, kulturellen Prägungen und Lebensentwürfen. Auch das muss man angesichts mancher Entwicklungen und Meinungen im Netz immer wieder betonen.

Dass wir in dieser Rolle unersetzbar sind, zeigt eine neue Studie von ARD und ZDF zu Medien und ihrem Publikum. Fragt man Menschen, was ihnen bei Radio und Fernsehen wichtig ist – nach Online wurde an dieser Stelle nicht gefragt -, dann nennen sie an erster Stelle glaubwürdige und zuverlässige Informationen, gefolgt von guter Unterhaltung, Themen aus ihrer Region, Spaß und gute Laune. Auf den Plätzen 5 und 6 sind dann Hintergrundinformationen und Informationen für die politische Meinungsbildung.

Wie aber wird der öffentlich-rechtliche Rundfunk wahrgenommen? Hier das Beispiel Fernsehen: Auf Platz 1 stehen die Themen aus der Region. Das mag manche überraschen, aber gerade in einer unübersichtlichen Welt sucht man Orientierung in der überschaubaren Umgebung, im Nahraum. Die folgenden Plätze sind eine Bestätigung unserer Legitimation in und für die Gesellschaft. Die Bürgerinnen und Bürger sagen, dass wir wichtig sind für die politische Meinungsbildung, dass wir gleichermaßen hohe journalistische Qualität und zuverlässig glaubwürdige Information bieten. Immerhin zwei Drittel erkennen, dass wir die Werte unserer Gesellschaft vermitteln, gefolgt von umfassenden Hintergrundinformationen.

Fernsehen bleibt die wichtigste Quelle der täglichen Information, dicht gefolgt vom Hörfunk. Wir wollen der relevante Faktor der politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung in Hessen sein, so heißt es in unserem Leitbild. Diese Umfragewerte sind für uns Bestätigung und Auftrag zugleich.

Gerade bei besonderen Ereignissen entscheiden sich die Bürgerinnen und Bürger für unsere Angebote.

Das zeigt sich auch 2016 bei zwei medienübergreifenden Projekten, an denen alle - Hörfunk, Fernsehen und Multimedia - beteiligt waren. Die Feierlichkeiten zu 70 Jahre Hessen haben noch einmal deutlich gemacht, wie sehr der Hessische Rundfunk die Landesidentität geprägt hat. Und ich verweise auf unsere Federführung bei der ARD-Themenwoche „Zukunft der Arbeit“, in der wir uns mit den Wirkungen, den Gefährdungen, aber auch den Chancen der Digitalisierung in allen Programmen auseinandergesetzt haben.

Die Digitalisierung bietet enorme Möglichkeiten für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Die Chancen der Digitalisierung können genutzt werden, auch für den Strukturprozess, den wir jetzt auf ARD-Ebene eingeleitet haben. Auch wenn der erste Druck von den Ländern ausging, ist die Strukturveränderung inzwischen zu einem Überlebensprojekt für die gesamte ARD geworden, und wir gehen es an, nicht, weil wir es müssen, sondern weil wir es wollen. Strukturen sind nicht der Kern unseres Auftrags, sondern sie dienen dazu, dass wir unseren Auftrag optimal erfüllen können. Deshalb ist es richtig, dass wir bei den anstehenden Veränderungen vor allem auf Technik, Produktion, IT und Verwaltung schauen, weil sie gutes Programm ermöglichen und unterstützen sollen, aber nicht den Kern unseres Programmauftrags ausmachen. Sich zu verändern, Doppelstrukturen abzubauen – und solche gibt es in der ARD - und effizienter zu arbeiten, liegt in unserem ureigensten Interesse, auch wenn wir – auch im hr - dafür manche liebgewonnene Gewohnheit aufgeben müssen.

Das, was wir uns jetzt vorgenommen haben, geht weit über beispielsweise gemeinsame IT-Anwendungen hinaus. Wir sind dabei, unsere Arbeitsabläufe von Grund auf zu verändern und eine Bündelung von Aufgaben zu ermöglichen, um Luft zu erhalten oder zu schaffen für unseren Programmauftrag. Das ist gemeint, wenn wir davon sprechen: Wir sind auf dem Weg von einer nicht rechtsfähigen Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Landesrundfunkanstalten hin zu einem integrierten föderalen Medienverbund.

Aber wir wollen kein Konzern werden und das Wort föderal ist mir ganz besonders wichtig. Der Föderalismus in Deutschland ist anstrengend und widersprüchlich und hier und da auch teuer. Aber die föderale Struktur gibt den Menschen in ihren Regionen Heimat und Sicherheit, ist Garant für Vielfalt und Schutz vor ausuferndem Zentralismus. Und deshalb ist es mir so wichtig, dass wir als ein eigenständiger Hessischer Rundfunk unsere Aufgabe für ein vielfältiges, modernes und von den Menschen getragenes Land Hessen erfüllen.

Das ist ein elementarer Bestandteil unseres Programmauftrags und den hat der hr auch im Jahre 2016 in Hörfunk, Fernsehen und Online erfüllt.

Ein Beispiel dafür sind die Werte der Hessenschau. Sie hat in den letzten 10 Jahren ihren Marktanteil kontinuierlich gesteigert und damit ihre Rolle als relevanten Faktor in der politischen und gesellschaftlichen Meinungsbildung in Hessen ausgebaut. Erfreulich ist auch ihre wachsende Fanzahl in den sozialen Medien, beispielsweise bei Facebook.

Wie schnell Licht und Schatten wechseln können, zeigt die Bilanz des hr-fernsehens. Der Rückgang des Marktanteils auf 6,4 % im vergangenen Jahr ist etwas völlig Normales und vor allem auf die Sportgroßereignisse in anderen Sendern zurückzuführen. Immerhin erzielt das hr-fernsehen im heimischen Markt den vierten Platz, noch vor SAT1 und Pro7. Trotzdem gibt es in der ersten Hälfte dieses Jahres noch einmal einen deutlichen Rückgang. Hier merkt man die finanziell engen Grenzen und eine teilweise Erschöpfung der Repertoire- und Wiederholungsstrategie. Eine Reaktion wird die Veränderung des Programmschemas sein.

Im Hörfunk hat sich die Strategie einer breiten Flotte bewährt. Die Wellen des hr haben zuletzt in ihrer Gesamtheit wieder deutlich zugelegt und liegen damit stabil im Markt. In den letzten Jahren hat hr1 den größten Rollenwechsel vollzogen, von einem Informationsradio zu einem journalistisch geprägten unterhaltsamen Tagesbegleitprogramm und damit die Tagesreichweite deutlich gesteigert. Erfreulich auch die Werte für hr-iNFO und hr4, während FFH und harmony verloren haben. Bei hr3 hoffen wir auf eine Erholung, nachdem die Turbulenzen um die Morningshow überwunden sind. Die Gesamtbilanz des Hörfunks wird verstärkt durch den Erfolg des hr-Sinfonieorchesters und der hr-Bigband, zweier Premiumorchester in Deutschland. Wer glaubt, auf diese Klangkörper verzichten zu können, würde einen erheblichen Schaden für das kulturelle Angebot, seine Vielfalt und Qualität in Deutschland und in Hessen anrichten.

Bei den Websites des hr und den Hörfunk-Apps hat es in den beiden letzten Jahren deutlich gestiegene Nutzerzahlen gegeben. Wir erwarten durch den Relaunch der Programmbegleitung und die neue Hessenschau-App einen weiteren Schub. Noch gar nicht erfasst sind dabei unsere breiten Aktivitäten in sozialen Netzwerken, die in dieser Statistik noch gar nicht vorkommen.

Die Betrachtung nach Mediengattungen und Ausspielwegen in der Hauptversammlung hat Tradition und gute Gründe, aber auf Dauer ist sie nicht mehr zeitgemäß. Die Nutzer und Nutzerinnen suchen ihre Inhalte immer stärker zeitunabhängig und auf unterschiedlichen Plattformen. Wir müssen zu neuen Strukturen kommen, die medienübergreifend die vorhandenen Stärken und das vorhandene Potential des hr nutzen. Deshalb haben wir die Voraussetzungen für einen medienübergreifenden Programmbereich Hessen geschaffen. Er wird beispielsweise die Hessenschau, den aktuellen Desk des Hörfunks und hessenschau.de in einer Einheit bündeln. So können wir gemeinsam die Berichterstattung aus und für Hessen für alle Zielgruppen crossmedial stärken und von den unterschiedlichen Erfahrungen lernen. Noch orientieren wir uns in vielen Feldern allein an unseren klassischen Ausspielwegen. Die Zukunft des hr liegt aber in medienübergreifenden Produkten, um die unterschiedlichen Nutzerinnen und Nutzer über die verschiedenen Ausspielwege zu erreichen.

Wir stehen also vor einem zweifachen Strukturwandel, nämlich in der ARD und im Hessischen Rundfunk. Das ist eine doppelte Herausforderung.

Weit entscheidender als die Abkehr von alten Strukturen ist ein umfassender Kulturwandel. Wir dürfen auf ARD-Ebene nicht mehr nur im Interesse einer einzelnen Landesrundfunkanstalt denken oder im Hessischen Rundfunk einzig und allein für die eigene Sendung, für die eigene Welle oder den eigenen Ausspielweg planen und produzieren. Das fällt schwer, weil Strukturen Halt geben und bislang der Erfolg immer daran definiert wurde, was man für das eigene Produkt geleistet hat. Der Enge Führungskreis, das sind die Führungskräfte gleich nach der Geschäftsleitung, hat sich vor kurzem mit den wichtigsten Kompetenzen der Zukunft auseinandergesetzt. Da tauchen vorhersehbar Kategorien auf, wie Entscheidungs-, Konflikt- oder Kommunikationsfähigkeit. Aber auch Werteorientierung und Glaubwürdigkeit. Weit oben auf der Liste aber steht „ganzheitliches Denken“, das bedeutet die eigenen Grenzen zu überschreiten. Ich gebe offen zu, wir muten derzeit vielen Führungskräften und auch allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen ganz erhebliche Belastungen zu, weil wir neue Einheiten medienübergreifend schaffen, Bereiche zusammenlegen oder neu sortieren. Aber statt zu lamentieren, haben die Führungskräfte als Ziel etwas eher Überraschendes formuliert, nämlich „Optimismus“.

Vornehme Menschen würden hier mit Hölderlin formulieren, dass in der Gefahr auch das Rettende wächst. Rustikaler kann man Luther zitieren und den Lieblingsspruch meines Verwaltungsratsvorsitzenden aufgreifen: „Aus einem verzagten Arsch kommt kein fröhlicher Furz.“

Dahinter steckt die Botschaft, die Chancen wichtiger zu nehmen als die Verluste von Macht und Einfluss. Dahinter steckt aber auch der feste Wille, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Veränderungsprozessen mitzunehmen und sie bei allen Schwierigkeiten und neuen Ausrichtungen immer wieder zu ermutigen. Genau darauf wird es in den nächsten Jahren ankommen. In einer Welt voller Widersprüche und Verunsicherung brauchen wir einerseits verlässliche Orientierung, aber die gepaart mit Aufbruchsstimmung.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk, und das gilt auch für den Hessischen Rundfunk, ist kein Projekt der Vergangenheit, sondern hat Zukunft. Und im Mittelpunkt steht unsere Programmauftrag und unsere Rolle für eine offene tolerante Gesellschaft, die sich auf Werten gründet. An diesem festen Fundament dürfen wir nicht rütteln, aber um es zu erhalten und zeitgemäß zu gestalten, müssen auch wir uns verändern. Dazu braucht es die Unterstützung der Gremien, der Personalvertretung und die Initiative aller Beschäftigten. Wir wissen, wie schwierig das Vorhaben ist, aber es wird schon leichter, wenn wir es angehen.