Ab 3. November: Das neue Funkkolleg "Religion Macht Politik" "Religion hat mehr Macht über uns, als wir glauben"
Was hat Religion noch mit mir zu tun? "Mehr als wir glauben", sagt hr-iNFO Wissenschaftsredakteurin Heike Ließmann. "Ob im Fußballstadion, bei der Suche nach veganer Erlösung oder durch die Angst, die wir erleben, wenn im Namen der Religion Bomben gezündet werden."
Wie kommt es eigentlich zum jeweiligen Funkkolleg-Thema?
Heike Ließmann: Als wir vor einem Jahr zusammensaßen, um das Thema für das nächste Funkkolleg festzulegen, lagen gleich drei starke Themen auf dem Tisch: Ernährung, Globalisierung sowie Religion und Macht. Heute zeigt sich, dass wir mit "Religion Macht Politik" richtig lagen, denn wir haben schon vor dem Start rund 500 Anmeldungen von Interessierten, das freut uns sehr.
In den letzten Jahrzehnten dachten ja viele, Religion würde aus unserem Leben verschwinden. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein: Menschen suchen nach Halt, Heil, Heimat und Sinn. Fast wöchentlich gibt es Meldungen, die uns zeigen, Religion und Glaube spielen in Politik und Alltag eine Rolle. Seien es die Mißbrauchsfälle, denen sich die katholische Bischofskonferenz jetzt stellt, sei es das Kreuz in den Amtstuben in Bayern, seien es die Meldungen von der Million Uiguren, die in China in Umerziehungslager gesperrt sind, damit sie vom muslimischen Glauben lassen, seien es die vielen Fragen rund um Syrien oder die Krisenregionen der Welt, in denen Religion ein Machtfaktor ist.
Wie werden aus der Idee Radiosendungen?
Bis Februar haben wir ein Konzept erarbeitet für ein halbes Jahr Programm und 24 Einzelsendungen.. In den ersten Folgen geht es um den individuellen Zugang – was macht Religion mit mir? Ob Christ, Muslim, Atheist – jede und jeder hat ein Verhältnis oder Nicht-Verhältnis zu Religion oder Glauben. Die Frage nach der Macht taucht in allen Sendungen auf. Um das politisch einordnen zu können, müssen wir in einige Länder gucken: In Krisenländer wie Syrien, aber auch nach Frankreich, weil dort das Verhältnis Staat-Religion ganz anders funktioniert als in Deutschland.
Dann begann ein spannender Prozess: Wir mussten Autoren finden, die Spezialisten für genau dieses Thema oder jene Region sind und sie überzeugen, sich die Zeit für eine Funkkolleg-Manuskript zu nehmen.
Ihr persönliches Aha-Erlebnis?
Mich haben die Recherchen unserer Autorinnen und Autoren wieder sehr beeindruckt. Dieses Mal hat die Autorin Anne Baier bei mir für ein Aha-Erlebnis gesorgt. Die Sache mit dem Kopftuch. Ich dachte, ich wüsste darüber alles. In der Funkkolleg-Folge 08 "Gott ist doch kein Mann", in der es um die Frau in den Religionen geht, geht es auch um das Bedeckungsgebot. Das Kopftuch war das Zeichen für die Männer, dass eine verheiratete Frau und wohlgestellte Bürgerin vor ihnen steht. Die fasst man nicht an. Das Kopftuch hieß also: Finger weg. Die Frauen, die keins trugen, das waren Sklavinnen, und jederzeit dem Zugriff der Männer ausgesetzt. Es hat also weniger mit der Verführung durch die Frau, vielmehr mit der männlichen Macht zu tun.
Mein Kollege und Autor Klaus Hofmeister hat mir in der Folge 06 "Ersatzreligionen: Fußballgott und vegane Erlösung" klar gemacht, wie viel Religion wir oft unbemerkt in unserem Alltag erleben. Wir suchen im Urlaub das Paradies, in Clubs die Ekstase und die Einführung eines neuen Apple-Produkts gleicht einer Offenbarung.
Wie wird sich das Funkkolleg anhören?
Diesmal haben wir zwei Sprecher : hr-iNFO Moderatorin Dagmar Fulle ist die Hauptsprecherin. Sie kann Texte wunderbar verkörpern: gleichzeitig sachlich sein und einem das Gesagte nahe bringen. Als zweite Stimme haben wir unseren "Tatort"-Kommissar Wolfram Koch gewinnen können. Er ist nicht nur ein toller Schauspieler, sondern auch als Sprecher bei Lesungen und Hörspielen sehr gefragt. Wir haben uns sehr gefreut, dass er uns für das Funkkolleg zugesagt hat.
Das Funkkolleg wirft viele Fragen auf – welche beschäftigt sie am meisten?
Wie sieht eine sinnvolle und friedenstiftende Verbindung von Politik und Religion aus? Das ist die für mich entscheidende Frage.