Eine gehörlose Frau gebärdet vor einem PC-Monitor - sie telefoniert. Auf dem Monitor ist ein Gebärdensprachdolmetscher zu sehen sowie die hörende Anruferin.

Rund 330 Menschen mit Behinderung arbeiten im Hessischen Rundfunk, fast acht Prozent der festangestellten Kolleg*innen sind schwerbehindert. Der Hessische Rundfunk unternimmt viel für Barrierefreiheit am Arbeitsplatz. Ein Funkhaus mit Noppen, Warnblitzern und sprechender Software? Ja, selbstverständlich!

Wenn die gehörlose Kollegin etwas besprechen möchte, ruft sie einfach an. Ja, das geht! Nummer des "Telesign-Dienstes" vorwegwählen, schon erscheint auf dem Bildschirm ein Gebärdensprachdolmetscher und übersetzt: "Hallo, ich habe eine Nachfrage …" Der Dolmetscher leiht der Gehörlosen seine Stimme und gebärdet die Antworten der hörenden Kolleg*innen.

Gehörlos die Personalversammlung mitverfolgen? Geht auch! Direkt vorm Podium im hr-Sendesaal sitzen Gebärdensprachdolmetscher und übersetzen.

Mit dem Rollstuhl selbst zum beruflichen Termin fahren? Das klappt. Die Mitarbeiterin nutzt ein individuell für sie umgebautes hr-eigenes Auto.

Lageplan der hr-Gebäude mit Erhebungen und Blindenschrift

Als Blinde*r im Team selbst die Webseiten des Unternehmens lesen? Dank Screenreader und barrierefreier Internetangebote kein Problem.

Als "Barrierefreier Betrieb" zertifiziert

328 Menschen mit Behinderung arbeiten im Hessischen Rundfunk – weit mehr als die gesetzlich vorgeschriebe Quote von fünf Prozent vorsieht. Die Beschäftigungsquote von schwerbehinderten Mitarbeiter*innen im hr beträgt 7,9 Prozent (Stand: 31.12.2021). Die Geschäftsführung hat 2015 eine Inklusionsvereinbarung erarbeitet, bereits 2000 wurde der Hessische Rundfunk vom Sozialverband VdK als "Barrierefreier Betrieb" zertifiziert. Dennoch: Viel Anstrengung ist notwendig, um Gebäude und Arbeitsplätze behindertengerecht einzurichten. Für Geschäftsleitung, Belegschaft und Roswitha Scherer "eine Selbstverständlichkeit". Und eine Herausforderung: Roswitha Scherer, Vertrauensperson der hr-Schwerbehindertenvertretung, und ihren drei Stellvertreter*innen stellen sich ständig neue Aufgaben.

Ausbilden in "Leichter Sprache"

ein Treppenabsatz mit Noppen

Rund 35.000 Euro kostet es im Durchschnitt, einen Blindenarbeitsplatz einzurichten. Anträge bei verschiedenen Kostenträgern wie den Arbeitsagenturen, dem Landeswohlfahrtsverband und der Deutschen Rentenversicherung rauben viel Zeit. Doch da diese die Kosten zumeist übernehmen, geht es vor allem um individuelle Lösungen. So wie im Fall der mobilitätseingeschränkten Kostümmitarbeiter*innen, die an die hohen Regale im Lager nicht herankommen, weil sie keine Leiter benutzen können. Scherer organisiert gerade einen Steigelift. Oder die Frage, wie der gehörlose Kollege in den Werkstätten im Notfall gewarnt wird, wenn er die Sirene nicht hört. Nun gibt es dort Warn-Blitzlichter. Und für den Mitarbeiter mit geistiger Behinderung erarbeiten die Kolleg*innen Anleitungen in sogenannter "Leichter Sprache".

Sprechende Software und Aufzüge mit Ansagen

Wer durchs Frankfurter Funkhaus geht, sieht unterstützende Lösungen überall. Für blinde Mitarbeiter*innen beispielsweise:

  • Noppen im Boden vor Treppen und Hindernissen, für Sehbehinderte zudem hell auf dunklem Grund oder umgekehrt
  • Namen auf Türschildern in erhabener, damit fühlbarer Schrift, oft zudem in Blindenschrift Braille "untertitelt"
  • ein Lageplan in Braille-Schrift (für Gäste erhältlich an der Pforte) sowie im Foyer ein ertastbares, dreidimensionales Gebäudemodell zur Orientierung
  • Tasten mit Blindenschrift in Aufzügen und an Kantinenkartenautomaten
  • Ansagen in den Liften sowie sprechende Automaten, beispielsweise der Kantinekartenautomat
  • ein Sehbehindertentisch in der Kantine, an dem das Kasinopersonal serviert
  • barrierefreie Webseiten − seit 2017 sind alle Internetauftritte des hr, hessenschau.de und hr.de unter der "Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung
  • Audiodeskription, also Bildbeschreibung, aller vom hr produzierten Spielfilme und "Tatort"-Krimis, dazu vieler weiterer Spielfilme und Dokumentationen

Bald mit Navi durchs Funkhaus?

Ein aus Holz gefertigter taktiler Lageplan mit den Gebäuden des hr, dazu Beschriftung in Braille. In Großaufnmahme eine Hand, die fühlt.

Zurzeit suchen Roswitha Scherer und ihr Team ein für den hr geeignetes Blindenleitsystem, eine App, die blinde Kolleg*innen sowie Gästen wie ein Navi durch die verschiedenen hr-Gebäude führt. Noch hängt es an Sicherheitsgründen.


Für hörgeschädigte Mitarbeiter*innen gibt es andere Unterstützung:

  • Gebärdensprachdolmetscher*innen bei Personalversammlungen, Abteilungs- und Mitarbeitergesprächen
  • mit Kameras ausgestattete PCs, mit denen man den "Telesign-Dienst" mit Gebärdensprachdolmetscher*innen zuschalten kann
  • Untertitel bei Videos im hr-Intranet sowie im Programm. Die hr-Untertitelredaktion stellt für zwei Drittel aller hr-Fernsehsendungen Untertitel zur Verfügung.
  • Warn-Blitzlichter für Notfälle an einigen Arbeitsplätzen
Ein Druckknopf mit Rollstuhlfahrer-Zeichen zum automatischen Öffnen der Türen

In allen Notfall- und Evakuierungsplänen des Hessischen Rundfunks sind Mitarbeiter*innen mit Behinderungen besonders berücksichtigt. Das Nothelferteam ist entsprechend geschult.
Im Arbeitsalltag gibt es im hr drei Ruheräume, die Kolleg*innen mit und ohne Behinderung nutzen können.

Alles gut erreichbar

Menschen im Rollstuhl benötigen:

  • mehr Raum am Arbeitsplatz zum Rangieren
  • Rampen an allen Eingängen und sich automatisch öffnende Türen
  • Behindertenparkplätze im hr-eigenen Parkhaus
  • niedrige Büroregale und -schränke, die man auch im Sitzen erreicht
  • behindertengerecht umgebaute Pkws und Transporter
  • Behindertentoiletten
  • höhenverstellbare Schreibtische, wie es sie im hr inzwischen an jedem neu eingerichteten Arbeitsplatz gibt, für alle Mitarbeiter*innen mit und ohne Handicap

Behindertengerechte Büroausstattung zieht mit um

Eine Rampe im Flur

Bei Azubis mit Handicap zieht ihre spezielle Büroausstattung zu jeder Ausbildungsstation mit um. "Das ist Aufwand, ja", sagt Roswitha Scherer, "versteht sich aber von selbst." Sie betont: "Jeder Mensch kann plötzlich oder vorübergehend behindert sein – durch eine Krebserkrankung beispielsweise, durch psychische Probleme oder einen Skiunfall." Auch dann steht sie helfend zur Seite, unterstützt, wenn nötig, bei der Wiedereingliederung. "Jeder Mensch ist anders und jeder braucht andere Hilfsmittel im Alltag." Der Hessische Rundfunk will für alle optimale Arbeitsbedingungen schaffen − egal, ob der nicht-behinderte Kollege wegen Rückenschmerzen einen Hochlehner benötigt, der Mobilitätseingeschränkte eine für ihn angepasste Tastatur oder die kleinwüchsige Kollegin eben einen behindertengerechten Stuhl. Selbstverständlich!

Weitere Informationen

Barrierefreiheit in den hr-Programmen

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